U2.qxd
Herausgeber: Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften e.V.€ 5,50 · ISSN 0936-9244 · D 10391
Zeitschrift für Wissenschaft und kritisches Denken
Tamifl u und
Das Ende der Homöopathie?
Das CERN und
Liebe Leser,
Vorschusslorbeeren gab es reichlich,
als Prof. Claudia Witt im Mai eine Stif-
Inge Hüsgen, c/o GWUP, Arheilger Weg 11,
TZ-Verlag & Print GmbH, 64380 Roßdorf
tungsprofessur der Karl und Veronica
Alexander Paul, Herninghof 4, 30457 Hannover
Carstens-Stiftung an der Berliner Chari-
té antrat. Ihre Aufgabe: Die Erfor-
Inge Hüsgen (V.i.S.d.P.), E-Mail: [email protected]
Anzeigenverwaltung:Verantwortlich: Amardeo Sarma
schung der Komplementärmedizin. Dr.
Henning Albrecht, Geschäftsführer der
Bernd Harder (bh, Augsburg)
Zurzeit gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 6
Stiftung, äußerte sich überzeugt, dass
Dr. Holm Hümmler (hh, München)
Inge Hüsgen (ih, Grevenbroich)
Witt „die wissenschaftliche Untermaue-
Ulrich Magin (um, Rastatt)
rung der Komplementärmedizin und da-
Ralph Puchta (rp, Nürnberg)
TZ-Verlag & Print GmbH, 64380 Roßdorf
mit deren Akzeptanz in Deutschland mit
Freie Mitarbeit:Holger von Rybinski (hvr)
großen Schritten voranbringen wird."
Tatsächlich schneiden Homöopathie &
Co. in kontrollierten Studien nicht bes-
Inge Hüsgen, Alexander Paul/ProSell
Bezugspreis:Einzelheft € 5,50. Jahresabonnement (4 Hefte)
ser ab als Placebo.
Herausgeber, Verlag und Abonnementverwaltung:
€ 22,–. Nachbestellung älterer Ausgaben über den
Wir haben die neue Professur zum
Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung
Herausgeber, Preise auf Anfrage.
Anlass für einen Schwerpunkt Homöo-
von Parawissenschaften e.V. (GWUP), Arheilger Weg 11, 64380 Roßdorf,
Erfüllungsort und Gerichtsstand:
pathie genommen. Mit dem Allgemein-
Tel.: (0 61 54) 69 50 21, Fax: (0 61 54) 69 50 22,
mediziner und GWUP-Mitglied Dr.
E-Mail: [email protected]
Manuskripthinweise und Copyright:
Werner Hessel sprachen wir über
Manuskripte sollten als Word® für Windows®- oder
Außenseiterverfahren und die Kritik der
Dr. Mark Benecke (Kriminalbiologie und
RTF-Dateien eingeschickt werden. Bitte fordern Sie
Skeptiker an der Stiftungsprofessur, le-
Kriminalistik, Köln)
vor dem Schreiben unsere Manuskript-Richtlinien an.
Autoren sollten bereits bei der Planung eines Artikels
sen Sie das Interview auf den Seiten
Prof. Dr. Wim Betz (Medizin, Brüssel/Belgien)Prof. Dr. Volker Faust (Psychiatrie, Ulm)
möglichst frühzeitig mit der Redaktion Kontakt auf-
145 bis 153.
Prof. Dr. Jürgen Großer (Umweltmedizin, Birkenheide)
nehmen. Bei Zuschriften an die Redaktion wird das
Alles andere als kritisch, nämlich
Prof. Dr. Peter Kröling (Klimatologie, München)
Einverständnis zum Abdruck vorausgesetzt. Für un-verlangt eingesandtes Material übernimmt die Redak-
überzeugt von der Wirkung der Zucker-
Prof. Dr. Felix Krusen (Ernährungswissenschaften,Bonn)
tion keine Gewähr.
kügelchen sind viele Patienten. Aber
Prof. Dr. Martin Lambeck (Physik, Berlin)
warum eigentlich? Der Arzt Ben Golda-
Prof. Dr. Rolf Manne (Chemie, Bergen/Norwegen)
Copyright: Die GWUP behält sich alle Rechte vor.
Nachdruck, Übersetzung und Vervielfältigung, auch
cre begibt sich in seinem Beitrag auf S.
Prof. Dr. Wolfgang Michaelis (Psychologie, Augsburg)
auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung.
128 bis 134 auf die Spur von geschön-
Prof. Dr. Gerhard Neuhäuser (Neuropädiatrie,
GWUP 2008. Namentlich gekennzeichnete Beiträge
ten Statistiken, Unsinns-Studien und
sowie Anzeigen geben nicht unbedingt die Meinungder Redaktion oder der GWUP wieder.
weit verbreiteter Selbsttäuschung.
Prof. Dr. Dr. Heribert Reitböck (Biophysik, Marburg)Prof. Dr. Otto Spaniol (Informatik, Aachen)
Auch Prof. Edzard Ernst gehörte ein-
Prof. Dr. Boris Velimorovic (Sozial- und
mal zu den überzeugten Homöopathie-
Ethnomedizin, Baden b. Wien)
Fans. Vor Jahren ließ sich Ernst sogar in
Prof. Dr. Nikolaus Vogt (Astronomie, Santiago/Chile)Prof. Dr. Mahlon W. Wagner (Psychologie,
Homöopathie ausbilden. Heute bietet er
10 000 Pfund für denjenigen, der die
Prof. Dr. Hartmut Zinser (Religionswissenschaft,
Wirksamkeit von Homöopathika belegt.
Ein Gespräch mit Edzard Ernst lesenSie auf den Seiten 154 und 155.
Inge Hüsgen
Diese und andere Ausgaben des Skeptiker können Sie nachbestellen in der GWUP-Geschäftsstelle, Arheilger Weg 11, 64380 Roßdorf, Tel: 0 61 54 - 69 50 21, E-Mail: [email protected]
SKEPTIKER · 21 · 3/08
Der
große Knall
Droht im Herbst 2008 der Weltuntergang?
Zurzeit nämlich laufen am europäischen Kernforschungszentrum CERN spektakuläre
Experimente mit dem größten Teilchen-beschleuniger der Welt an.
Kritiker befürchten ein Horrorszenario. Wir sprachen mit dem GWUP-Mitglied
und Physiker Dr. Detlef Küchler, der am CERN arbeitet.
?? Herr Dr. Küchler, haben Sie schon Pläne für Sil-
?? Apropos Widerstand: Der Amerikaner Walter
vester 2008?
Wagner hat sogar eine Klage gegen die ge-
Ja, aber sicher doch.
planten Experimente am CERN eingereicht. Begrün-
dung: Die Wissenschaftler gingen ein Risiko ein, das
?? Im Gegensatz zu Ihnen scheinen einige Zeitge- sie gar nicht einschätzen können. Stimmt das?
nossen davon überzeugt zu sein, dass sie den
Nein, das stimmt so nicht. Seit vielen Jahren wird von
Jahreswechsel gar nicht mehr erleben werden, weil
unabhängigen Physikern untersucht, was am LHC pas-
unsere Welt vorher in einem Schwarzen Loch ver-
sieren könnte. Man stützt sich dabei auf die bekannte
schwindet, das am CERN künstlich erzeugt wurde.
Physik, versucht aber auch unbekannte Größen mit
Ich denke, das hat etwas mit der Angst der Menschen
vor dem Neuen zu tun. Früher befürchtete man, dass
Man muss bei dieser Diskussion vor allem einen Punkt
einem der Himmel auf den Kopf fallen könnte, heute
im Auge behalten: Sicher, der LHC wird Kollisionen bei
sind es halt die Schwarzen Löcher. Als im Jahr 2001
Energien durchführen, die bisher auf der Erde unerreicht
der RHIC-Teilchenbeschleuniger (Relativistic Heavy Ion
sind. Aber das gilt nur für von Menschen erzeugte Zu-
Collider) am Brookhaven National Laboratory in New
York in Betrieb genommen wurde, gab es ganz ähnliche
Die kosmische Strahlung enthält Teilchen mit wesentlich
Befürchtungen. Passiert ist nichts.
höherer Energie. Und auch diese Teilchen prallen aufei-
Das Problem ist indes nicht nur auf die Physik begrenzt.
nander, im All, auf anderen Sternen, auf dem Mond und
Die Forschung an genetisch modifizierten Organismen
auch hier auf der Erde. Trotzdem existiert die Menschheit
oder Stammzellen hat bekanntlich mit ähnlichen Wider-
immer noch. Das ist wohl das überzeugendste Argument,
ständen zu kämpfen.
SKEPTIKER · 21 · 3/08
Der große Knall
Hollywoodfilme wie
„Black Hole – Das
?? Angenommen, mit der neuen Protonenkanone
am CERN geht tatsächlich etwas schief – was
Monster aus dem
könnte im schlimmsten Fall passieren?
Schwarzen Loch"
Erst einmal, es handelt sich nicht um eine „Protonenka-
(USA, 2006) oder
none", wie in der Presse steht. Wir machen ein Kollisi-
„Das Schwarze
Loch" (USA, 1979)
onsexperiment mit Protonen in einem Beschleunigerring.
Was dabei im schlimmsten Fall passieren kann, weiß
phenängste und
auch ich nicht, aber alle menschenmöglichen Vorkeh-
rungen wurden getroffen, um das Personal, die Bevölke-
rung und auch die Anlage selbst zu schützen.
?? Aber könnte nicht ein völlig unbekannter phy-
sikalischer Effekt auftreten?
Ein bislang unbekannter physikalischer Effekt? Tja, das
?? Mag sein, aber in einem Weblog schreibt jemand: würde zu spontanen Jubelfeiern und der einen oder an-
„Man sollte nicht alles negieren, was anschei-
deren leeren Champagnerflasche führen.
nend ,extrem unwahrscheinlich' ist. Solange Schäden
Ernsthaft: Nach dem Unbekannten sind wir doch auf der
nicht 100prozentig ausgeschlossen werden können, Suche! Das Bekannte kennen wir ja eben schon. Und
sollte die Anlage nicht in Betrieb gehen."
noch eine Bemerkung zur angeblichen Elfenbeinturm-
Keiner der an den Experimenten Beteiligten negiert die Mentalität: Das CERN verfolgt eine Politik der Offenheit. möglichen Gefahren. Deshalb gibt es auch die unabhängige
Jeder kann sich darüber informieren, was hier vor sich
Expertenkommission, die schon 2003 einen Bericht über
geht. Im Frühjahr zum Beispiel gab es einen Tag der
mögliche Zwischenfälle und eine Gefahrenabschätzung offenen Tür. 53000 Besucher, teilweise von anderen vorlegte. Dieser Bericht ist übrigens öffentlich zugänglich.
Kontinenten, nutzten die Gelegenheit, uns zu besuchen, 20000 von ihnen schauten sich auch die unterirdischen Einrichtungen an, wo die Experimente stattfinden wer-
?? Was steht
den. Die CERN-Mitarbeiter führten selbst die Gäste rum
Das Fazit lautet: „Wir sehen keinen Grund, von einer
und standen Rede und Antwort.
Bedrohung auszugehen." Gewiss, 100prozentige Sicher-
Interview: Bernd Harder
heit gibt es nicht. Wer das erwartet, dürfte morgens auch nicht aufstehen oder gar aus dem Haus gehen.
Dr. Detlef Küchler
ist GWUP-Mitglied
?? Wie stellt sich eigentlich die juristische Sachlage
und arbeitet seit 1998
aus Sicht des CERN dar? Kann ein US-Bezirks-
als Physiker in der Sektion
gericht, wo Walter Wagner seine Klage eingereicht hat,
für Hadronenquellen und
ein europäisches Forschungsvorhaben stoppen?
Ich bin kein Jurist, aber ich denke, die Chancen sind
recht gering.
Er ist Spezialist für Ionenquellen.
– Die Europäische Organisation für Kernforschung (CERN) in
Kernphysiker bezeichnet", hat zusammen mit dem Spanier Luis
Genf ist das größte und bedeutendste Forschungszentrum für
Sancho Klage bei einem Bezirksgericht im US-Bundesstaat
Teilchenphysik weltweit. Am CERN arbeiten rund 2600 For-
Hawaii eingereicht, um die Inbetriebnahme des LHC zu verzö-
scher und mehr als 8000 Gastwissenschaftler aus rund 60 Na-
gern, bis die Sicherheit der „Urknallmaschine" bewiesen oder
tionen besuchen regelmäßig die Einrichtung, „um gemeinsam
zu ergründen, aus welchen elementaren Bausteinen die Materie – Experten halten dem entgegen, dass theoretisch mögliche besteht und welche Kräfte sie zusammenhalten" (zit. nach In-
Schwarze Minilöcher ungefährlich sind, weil sie im Bruchteil
einer Sekunde wieder verdampfen und keine Zeit haben zu
– Im Herbst 2008 wird am CERN der größte Teilchenbeschleu-
wachsen. Ob es überhaupt möglich ist, Schwarze Löcher
niger der Welt, der Large Hadron Collider (LHC), in Betrieb
künstlich zu erzeugen, muss sich indes erst noch herausstellen.
genommen. Die Anlage besteht aus 27 Kilometer langen
– Außerdem gibt es in der Erdatmosphäre ständig hochenerge-
unterirdischen Röhren. In dem Ringtunnel sollen Protonen
tische Teilchen-Zusammenstöße. „Wenn also winzige Schwarze
beziehungsweise Schwerionen bei minus 271 Grad Celsius
Löcher tatsächlich entstehen können, dann passiert das schon
(Temperatur im All) mit annähernd Lichtgeschwindigkeit aufein-
jetzt jeden Tag", wird der Physik-Nobelpreisträger Gerard 't
anderprallen. Die Physiker erhoffen sich von den Experimenten
Hooft in der Süddeutschen Zeitung zitiert.
neue Erkenntnisse über den „Urknall", den Ursprung der Masse – Und: „Ganz sicher kann der LHC nicht jene superschweren und die Entstehung des Universums.
Schwarzen Löcher erzeugen, die es im Weltall gibt. Diese
– Der Amerikaner Walter Wagner befürchtet hingegen das
entstehen, wenn schwere Sterne am Ende ihres Daseins implo-
Ende der Welt. Er warnt auf seiner Webseite davor, dass bei
den Experimenten künstliche Schwarze Löcher entstehen, die „sich ausdehnen und in 50 Monaten den gesamten Planeten
– Weitere Informationen gibt es auf der Homepage des CERN
verschluckt haben". Wagner, der sich laut Spiegel „selbst als
SKEPTIKER · 21 · 3/08
Impulsgeber:
Geht es nach dem Willen der Deutschen Physikalischen
Gesellschaft (DPG), sollen in Zukunft mit der Physik die
Zusammenhänge zwischen Natur und Technik stärker
vermittelt werden.
Sind Wissenschaftler „mad" und ihre Arbeit eine Bedrohung für die ganze Menschheit?
Ein Gespräch mit dem ehemaligen CERN-Physiker und Unternehmensberater
Dr. Holm Hümmler über Gott-Teilchen, Elfenbeintürme und den
Legitimationsbedarf von moderner Forschung.
?? Der Verschwörungsthriller „Illuminati" nimmt CERN in „Illuminati" ist hanebüchener Blödsinn. Und
seinen Anfang am CERN und aktuell befürchten
leider trägt sie dazu bei, etwas eigentlich sehr Sachliches
einige Zeitgenossen, dass das Kernforschungszentrum
in absurder Weise zu mystifizieren.
ganz real den Weltuntergang riskiert. Hat das CERN ein
Dass Menschen von Dingen, die sie nicht verstehen,
leicht zu beunruhigen sind, ist nur natürlich – aber
Das CERN an sich weniger, vielleicht eher die Grund-
Beunruhigung und Mystifikation sind eben keine gute
lagenforschung allgemein. Sicher, die Darstellung des Kombination.
SKEPTIKER · 21 · 3/08
Schwarze (Informations-) Löcher?
sich an der besagten Mystifikation zu beteiligen und die Bedeutung ihrer Arbeit maßlos zu übertreiben, anstatt sie verständlich zu machen.
Formulierungen wie „Der Urknall im Labor" entstammen ja durchaus der Selbstvermarktung der Teilchenphysik und von da ist es nicht weit bis zu dem unsäglichen, aber in den Medien leider inzwischen fest verankerten Begriff „Gott-Teilchen" als Name für das Higgs-Boson, das seit zwei Jahrzehnten meist gesuchte Teilchen. Als ob es nicht faszinierend genug wäre, zu untersuchen, was die Welt – nämlich die Materie – im Innersten zu-sammenhält!
?? Für Wissenschaftler sicherlich, aber was sollen
sich normale Menschen unter einem Higgs-Bo-
son vorstellen?
Natürlich, die Grundlagenforschung muss Geschichten
Viele technische
erzählen, um die Milliarden an Steuergeldern zu begrün-
Fiktionen aus
den, die sie benötigt, um ihre Arbeit machen zu können.
den Anfängen
?? Gibt es denn Grund zur Beunruhigung?
Nein, denn das CERN ist in der komfortablen Situ-
Was mir in diesen Geschichten fehlt, sind die Menschen,
der „Star Trek"-
ation, das ihm entgegengebrachte Vertrauen nie wirklich
die ihr Leben dieser Forschung widmen. Wir ehren die
Serie sind heute
enttäuscht zu haben – im Gegensatz zu einigen anderen
Forscher der Vergangenheit und vergessen die Forscher,
Forschungszentren. Vor sieben Jahren zum Beispiel sollte
die heute großartige Leistungen erbringen. Aber nur
die Welt schon einmal untergehen, damals ging es um
diese Menschen sind es, denen wir letztlich vertrauen
Beschleunigerexperimente am Brookhaven National La-
– nicht Forschungskollaborationen, Detektoren oder
boratory in New York. Die Argumente der Gegner waren
exakt die gleichen wie jetzt beim CERN. Und genauso
Andere Fachrichtungen vermitteln Forschung über ihre
unsinnig. Nur war dort kurz zuvor aufgeflogen, dass das
Forscher, und auch die Physik hat das früher getan. Noch
Labor über Jahre hinweg ein – wenn auch unter gesund-
vor 50 Jahren war das Bild, das die breite Bevölkerung
heitlichen Aspekten unbedeutendes – radioaktives Leck
mit Physik assoziierte, Albert Einstein vor einer Tafel.
in der Reaktoranlage vertuscht hatte. Dann hat man in
Heute sind es winzige Menschen vor beängstigend gi-
der Tat natürlich schnell ein Imageproblem.
gantischen Apparaten, und genau diese Bilder findet man auch auf der Homepage des CERN.
?? Man könnte über solche Ängste, wie sie aktuell
in Medienberichten und Blogs geäußert werden,
?? „Die Zauberlehrlinge wollen Gott spielen!" heißt
schmunzeln oder den Kopf schütteln – andererseits
es denn auch in einem Online-Kommentar zu
unterliegt die Wissenschaft in modernen Massendemo-
den LHC-Experimenten. Wieso hält sich in weiten
kratien einem hohen Legitimationsbedarf. Was würden
Kreisen der Bevölkerung so hartnäckig die Vorstellung
Sie als Physiker und Unternehmensberater Ihren Ex-
vom „Mad Scientist", wenn es um Wissenschaft und
Kollegen am CERN raten?
Erkenntnis geht?
Ja, der Kampf um Forschungsmittel wird immer mehr
Weil die Bürger eben keine normalen Wissenschaftler
in der Öffentlichkeit ausgetragen, zugleich aber für die
zu sehen bekommen. Der einzige wirklich prominente
Forscher immer schwieriger und intransparenter, vor
zeitgenössische Physiker ist Stephen Hawking. Dass seine
allem mit jedem neuen „Ex-
Arbeiten für die experimentell prüfbare Teilchenphysik
Dr. Holm Gero Hümmler
zellenzprogramm". Damit eigentlich keine Rolle spielen, ist weder bekannt noch von
ist Physiker und Meteoro-
steigt der Legitimations-
Bedeutung. Wenn dem Fernsehzuschauer oder Zeitungs-
loge und Geschäftsführer
bedarf für teure Grundla-
leser überhaupt ein Physiker einfällt, dann Hawking. Er
einer mittelständischen
genforschung, deren Sinn-
wird bemitleidet und gleichzeitig bewundert, aber auch er
Unternehmensberatung.
haftigkeit aber den Bürgern
kann nicht die Rolle des Sympathieträgers ausfüllen, von
Bis zu seinem Wechsel in
viel weniger offensichtlich
denen die moderne Physik dringend einige bräuchte.
die Wirtschaft forschte er am Max-Planck-Institut
ist als zum Beispiel konkrete
für Physik in München, am
Anwendungsforschung oder
CERN in Genf und dem
die boomende Umweltfor-
?? So wie „Q" in den James-Bond-Filmen?
Das meine ich gar nicht unbedingt, es geht dabei
New Yorker Brookhaven
schung. Das verführt leider
weder um Personenkult noch um Leute mit Superstar-
National Laboratory.
viele Wissenschaftler dazu,
qualitäten. Sondern um ganz normale Menschen mit
Er ist Mitglied der GWUP.
SKEPTIKER · 21 · 3/08
Typische „Mad
Scientists":
die Super-
schurken Dr.
Doom und der
Grüne Kobold.
ihren Stärken und Schwächen, die ihr Leben darauf
bei den LHC-Experimenten geht – sind aber nun mal
verwenden, Neues zu entdecken. Die CERN-Folklore ist
recht bizarre Dinge. Kann man die damit verbundenen
voller Geschichten über interessante Typen mit ihren
Ängste einfach als „Wissenschafts-Analphabetismus"
Ideen und Eitelkeiten, ihren Durchbrüchen und Fehl-
schlägen. Das seit 20 Jahren andauernde Rennen um
Wer für seine Forschung Geld oder auch nur Akzeptanz
den Nachweis des Higgs-Bosons ist genauso spannend
will, hat die Verpflichtung, zu erklären oder zumindest
wie vor 100 Jahren der Wettlauf zum Südpol. Und selbst
erklären zu lassen, was er eigentlich tut, und zwar ver-
in einer Tageszeitung kann man einen interessanten und
ständlich. Leider ist das für einen Wissenschaftler, der
unterhaltsamen Artikel über die Arbeit eines einfachen
gewohnt ist, mit anderen Wissenschaftlern zu kommu-
Doktoranden platzieren.
nizieren, nicht immer einfach. Dazu kommt bei vielen Forschern die Erfahrung, dass man von den Medien desto eher wahrgenommen wird, je dicker man aufträgt. So
?? Schwarze Löcher, der Urknall, einpolige Magnete
und Seltsame Materie – also all das, worum es
wird dann von „Über-Lichtgeschwindigkeit", „Beamen"
Quark zusammenstoßen und es auffressen.
Rechtliche Immunität des CERN
Die Frage, die bleibt, ist, wie lange es dann dauert, bis dieses
Bereits im Juni hatte eine in Zürich lebende Klägerin in einem
kleine schwarze Loch genügend stark gewachsen ist, um
Gerichtsverfahren versucht, die Inbetriebnahme des Large
schließlich die ganze Welt aufzufressen. Das klingt absurd, ist
Hadron Collider (LHC) zu stoppen, weil sie darin eine Gefähr-
aber letzten Endes sehr wahrscheinlich. Es gibt eine Abschät-
dung ihres Lebens sah. Sie berief sich dabei auf Berechnungen
zung bei BBC Horizon, dass dies 50 Millionen Jahre dauern
des deutschen Biochemikers und Chaos-Theoretikers Prof.
wird. Das ist das offizielle Worst Case Scenario. Doch sie ver-
Dr. Otto E. Rössler von der Universität Tübingen (Institut für
gessen dabei, dass es Chaos und Nichtlinearität gibt. Damit
Physikalische und Theoretische Chemie). Die Klage wurde vom
wächst es viel schneller. Ich bin so auf einen Faktor von 50
Bezirksgericht Zürich abgelehnt, und zwar mit dem Hinweis,
Monaten gekommen!"
das CERN genieße als internationale Organisation absolute Im-munität und sei damit von jeglicher Gerichtsbarkeit befreit.
Längst widerlegte Thesen
Das klingt absurd …
Geantwortet hat dem Chaosforscher unter anderem der Direktor des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik in
Die Berechnungen Prof. Rösslers zum Gefährdungspotenzial
Potsdam-Golm, Prof. Dr. Hermann Nicolai. Der Physiker und
der CERN-Experimente und künstlicher Schwarzer Löcher
Mathematiker wirft Rössler vor, bekannte Formeln der allgemei-
fußen auf der allgemeinen Relativitätstheorie Albert Einsteins.
nen Relativitätstheorie falsch zu interpretieren. Er beziehe sich
Rössler will eine Lücke in der Argumentation der CERN-For-
dabei zum Teil auf eine Theorie, die bereits seit 1915 als wider-
scher entdeckt haben und fordert eine öffentliche Diskussion
legt gelten dürfe, weil sie zu Vorhersagen geführt habe, die sich
über seine Thesen.
experimentell nicht bestätigen ließen.
In einem Gespräch mit dem Online-Portal golem.de sagte
Nicolai erklärte, er habe das Papier Rösslers mit Kollegen an
Rössler: „Die Gefahr ist, dass sich ein kleines schwarzes Loch
seinem Institut diskutiert. Einhellig seien alle der Auffassung
bildet und dann eben nicht zerstrahlt. Die Wahrscheinlichkeit
gewesen, dass es keine Chance habe, in einer seriösen Zeit-
ist zwar recht hoch, dass es wegfliegt, aber es gibt eine ganz
schrift zur Publikation akzeptiert zu werden. Die Stellung-
kleine Wahrscheinlichkeit, dass es nicht wegfliegt. Man will
nahme des Komitees für Elementarteilchenphysik (KET) zu den
davon eine Million pro Jahr produzieren. Das sind genug, um
Behauptungen von Prof. Rössler findet sich unter www.ketweb.
zu sagen, dass davon eins ganz sicher nicht zerstrahlen wird.
Dieses würde dann in der Erde herumkreisen und von Zeit zu Zeit mit einem Elementarteilchen, einem Atomkern oder einem
(bh/Neue Züricher Zeitung)
SKEPTIKER · 21 · 3/08
Schwarze (Informations-) Löcher?
Die Aufgabe, Wissenschaft zu erklären und zu vermit-teln, kann und muss aber auch nicht jeder Forscher selbst wahrnehmen – bei manchem würde es schon genügen, wenn er populärwissenschaftliche Kommunikation nicht geringschätzig betrachten würde. Das ist nämlich ein hartes Brot. Journalisten sind eben nicht immer nett, haben häufig kein entsprechendes Vorwissen und prak-tisch nie die Zeit, wissenschaftliche Themen mit der eigentlich notwendigen Sorgfalt zu behandeln bezie-hungsweise sich einzuarbeiten.
?? Immerhin hat jede Uni einen Pressesprecher, der
sich um die Journalisten kümmern soll.
Der ist aber auch in den seltensten Fällen Physiker. Für
Nur Formeln
die Universitäten würde ich sagen, wer als Professor
pauken schafft
oder dem „Gott-Teilchen" gesprochen, obwohl es dabei
seine Studenten für sein Forschungsgebiet begeistern
noch lange kein
Wissenschafts-
im Grunde um alltägliche Dinge und nichts Phanta-
kann, sollte das genauso mit Laien können. Große
stisches geht.
Forschungsinstitute dagegen brauchen ganz eindeutig Kommunikationsprofis, die Forschungsarbeit systema-tisch nach außen tragen. Die dürfen dann aber nicht
?? Alltägliche Dinge? Ich zitiere mal aus einem
anderen Blog: „Was nützt mir als normalem
ausschließlich daran gemessen werden, wie oft sie das
Bürger ein Schwarzes Loch auf der Welt? Was bringt
Institut auf die Titelseite einer Zeitung oder Illustrierten
das, solange Tausende Menschen an Aids und Krebs
bringen – sonst sind wir ganz schnell wieder beim „Gott-
sterben? Daran sollten diese Wissenschaftler am CERN
Teilchen". Und letztlich führt kein Weg daran vorbei,
möglichst oft die Türen zu öffnen und viele Menschen
Wenn sich vor 100 Jahren die Begründer der modernen
durch die Anlagen zu führen. Das ist anstrengend, aber
Physik entschlossen hätten, anstatt so etwas Nutzloses
als vertrauensbildende Maßnahme unbezahlbar.
wie Quanteneffekte lieber die Pocken oder die Tuberkulose zu erforschen, hätten wir heute weder Kernenergie noch Solarzellen, weder Computer noch die Möglichkeiten der
?? Beunruhigt Sie persönlich das verbreitete
Misstrauen gegen die Wissenschaft? Ich denke
modernen Medizin. Oder eben doch, denn ein paar Jahre
hier zum Beispiel an Bücher wie das von Martin Rees:
später hätten dann statt Planck, Einstein und Bohr ande-
„Unsere letzte Stunde – Warum die moderne Naturwis-
re Forscher die Grundlagen der heutigen Physik gelegt.
senschaft das Überleben der Menschheit bedroht."
Wissen, also die Welt um uns herum verstehen zu wollen,
Das gehört laut Amazon nicht einmal zu den 100 000
ist doch Teil der menschlichen Natur, eine Grundlage der
populärsten Büchern in Deutschland. Und wer sich solche
westlichen Zivilisation und wahrscheinlich der Grund,
Fragen stellt, setzt sich wenigstens mit Wissenschaft aus-
weshalb wir überhaupt bis heute überlebt haben. Nur wer
einander. Viel schlimmer finde ich es, wenn Jugendliche
sich mit dem Grundlegenden beschäftigt, wird auch lang-
ohne jeden Bezug zur Wissenschaft aufwachsen.
fristig erfolgreich sein. Es hat schon seine guten Gründe, weshalb die aufstrebenden asiatischen Länder sich so
?? Von „Star Trek"
bemühen, eben auch in der Grundlagenforschung zu uns
vielleicht mal abgesehen …
Gutes Stichwort, denn Science-Fiction von gestern ist heute
Das bekannteste „Nebenprodukt" der Grundlagenforschung
Teil des Alltags, denken Sie etwa an die Automatiktüren,
am CERN ist übrigens das World Wide Web (WWW), das
die handlichen Kommunikationsgeräte und Kleincomputer
ursprünglich nur als Plattform für den internen Datenaus-
in der Originalserie „Raumschiff Enterprise". Ich befürchte
tausch zwischen den Forschern gedacht war. Mittlerweile
aber, dass Eltern und Schule da einfach nicht mithalten.
gibt es an dem Forschungszentrum eine Arbeitsgruppe, die
Wie will man sich eine Meinung zur Gentechnik bilden,
sich nur um den Wissens- und Technologietransfer in die
wenn Ökokult und Schöpfungslehre Einzug in den Bio-
Industrie kümmert.
logieunterricht halten? Wer kann über Energiepolitik dis-kutieren, wenn er im Physikunterricht bis zum Erbrechen Wurfparabeln gerechnet hat, aber nicht weiß, wie eine
?? Vielleicht fühlen sich die Wissenschaftler – auch
am CERN – im Grunde ganz wohl in ihren Elfen-
Solarzelle funktioniert und von Kernspaltung nur gehört
beintürmen. Schließlich ist es mühsam, solche kompli-
hat: „Das Atom ist böse"? Wer hingegen gesehen hat, wie
zierten Versuche und Sachverhalte einem Laienpubli-
aufregend es ist, die Welt zu entdecken, muss nicht das
kum verständlich zu machen.
Standardmodell der Teilchenphysik nachrechnen können,
Eine Elfenbeinturm-Mentalität findet man bei Physikern
um mit Freude auf die neuesten Forschungsergebnisse vom
natürlich auch, aber wohl nicht häufiger als zum Beispiel
bei Wirtschaftswissenschaftlern oder Historikern.
Interview: Bernd Harder
SKEPTIKER · 21 · 3/08
Source: https://www.gwup.org/images/stories/pdf/skeptiker/2008/cern_lhc.pdf
Doi:10.1016/j.tifs.2006.08.005
Trends in Food Science & Technology 18 (2007) S15eS19 limits went down and currently many substances may be de-tectable in nano- or even picograms per kg of product. In food regulations and practice this means that where absence of substances isrequired, the concentration must be between a million or abillion times lower than at the time the regulations were established. Governments have a duty to ensure that the
The effect of subclinical ketosis in early lactation on reproductive performance of postpartum dairy cows
J. Dairy Sci. 90:2788–2796doi:10.3168/jds.2006-560© American Dairy Science Association, 2007. The Effect of Subclinical Ketosis in Early Lactation on ReproductivePerformance of Postpartum Dairy Cows R. B. Walsh,*1 J. S. Walton,† D. F. Kelton,* S. J. LeBlanc,* K. E. Leslie,* and T. F. Duffield**Department of Population Medicine, and†Department of Animal and Poultry Science, University of Guelph, Ontario, Canada, N1G 2W1